Im Zuge der Reformation gründete der Bautzener Stadtrat 1527 eine vom Domstift unabhängige Schule, die evangelische Ratsschule. Sie war ab ca. 1544 in der Bastei am Kornmarkt untergebracht (heute Standort des Museum Bautzen) und ist wegen ihrer gehobenen Lehrinhalte als Vorgängerin des städtischen Gymnasiums anzusehen. 1861 wurde die Schule in staatliche Trägerschaft übergeben, was einen Neubau ermöglichte. Dieser wurde 1865/66 am Standort des heutigen Philipp-Melanchthon-Gymnasiums errichtet. Bereits 1884 erhielt das Gebäude wegen der großen Anzahl an Schülern einen zweiflügeligen Anbau. 1937 wurde das Humanistische Gymnasium in eine Oberschule umgewandelt und verlor damit seine jahrhundertelange gymnasiale Tradition. Diese lebte 1992 mit der Wiedereröffnung eines Gymnasiums in demselben Gebäude wieder auf, 1998 wurde der Schule der Name Philipp Melanchthons verliehen.
Neue Publikation und „Citizen Science“
Der Archivverbund mit dem Stadtarchiv und Staatsfilialarchiv Bautzen begleitet dazu zwei Projekte im Rahmen des Jubiläums. Zunächst ist der 6. Band der Publikationsreihe des Archivverbunds „500 Jahre gymnasiale Bildung in Bautzen“ in Vorbereitung. Vorgesehene Inhalte sind:
- Die Stiftschule von der Gründung bis zur Abspaltung der Ratsschule 1527 (ca. 12 Manuskriptseiten), Autor: Rico Heyl, Stadtarchiv Bautzen
- Die Anfänge der gymnasialen Bildung in Bautzen: Von der Gründung der städtischen Ratsschule im 16. Jahrhundert bis zur Übernahme in staatliche Verwaltung (ca. 80 Manuskriptseiten), Autor: Prof. Dr. Andreas Rutz, Inhaber des Lehrstuhls für Sächsische Landesgeschichte an der TU Dresden und seit 2020 zugleich Direktor des Instituts für Sächsische Geschichte und Volkskunde
- Das Gymnasium unter staatlicher Verwaltung 1861 bis 1945 (ca. 50 Manuskriptseiten),
- Autorin: Diana Paul-Pietsch, Lehrerin für Geschichte am Schillergymnasium Bautzen
- Interview mit Rüdiger Hackel, Direktor des Gymnasiums ab 1992 zum Wiederaufbau als Gymnasium
Der zweite Teil des Jubiläumsprojekts beinhaltet die Erfassung der Schüler, die das Bautzener Gymnasium zwischen 1642 bis 1937 besuchten. Gemeinsam mit dem Verein für Computergenealogie (CompGen) e.V. sollen die Schüler erfasst und die einzelnen Personendatensätze mit weiterführenden Materialien angereichert werden. Der Verein CompGen e.V. besteht seit 1989 und ist mit über 4.000 Mitgliedern der größte genealogische Verein in Deutschland. Er verfügt über umfangreiches technisches und organisatorisches Wissen bei der Durchführung von Projekten zur Erfassung und Weiterverarbeitung großer Mengen an historischen Personendaten. Ziel ist der Aufbau einer Datenbank, in der die Namen, die Herkunft, sowie – sofern vorhanden – weitere Angaben zum Schüler erfasst werden. Dafür wird die Webanwendung „Webtrees“ eingesetzt, ein vollumfängliches, mehrsprachiges und kostenloses Genealogieprogramm, das verschiedene Darstellungsmöglichkeiten für die erfassten genealogischen Daten bietet und mit dessen Hilfe sehr große Datenmengen von mehreren Nutzern gemeinsam bearbeitet und verwaltet werden können. Eine Nutzung ist unabhängig von einem Betriebssystem über verschiedene Endgeräte möglich (PC, Laptop, Tablet, Smartphone, Smart-TV usw.). Die Darstellung der Anwendung erfolgt dabei in einer ansprechenden und auf das Zielgerät optimierten Form. Mehrere Benutzer können die Anwendung gleichzeitig benutzen, die Daten liegen in einer zentralen Datenbank. Einzige Voraussetzung um Daten einzugeben oder hinzuzufügen ist eine Anmeldung in „Webtrees“.
Das Projekt ist als ein „Citizen Science“-Projekt angelegt, was bedeutet, dass interessierte Personen die Daten bearbeiten und so eine Schwarmintelligenz entsteht, um ein gemeinsames Ziel – hier die Erfassung von ca. 15.000 Schülerdaten aus 500 Jahren Bautzener Schulgeschichte – zu erreichen. Bei der eigentlichen Erfassung der Daten werden Technologien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz, wie Transkribus und ChatGPT eingesetzt, die Daten sind aber von uns Menschen zu prüfen, zu ergänzen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Interessenten an einer Mitarbeit melden sich direkt beim Archivverbund Bautzen unter www.archivverbund-bautzen.de, dort sind auch alle weiteren Informationen hinterlegt.
„Für die Mitarbeit am Projekt ist es nicht notwendig Mitglied im Verein zu sein, mitmachen kann jeder Interessierte mit Lust an der Erfassung von historischen Daten, an der Schulgeschichte oder der Stadtgeschichte ganz allgemein. Es wäre ein großartiger Erfolg, würde es uns gemeinsam gelingen, die Personendaten der Bautzener Schüler zwischen 1642 und 1937 bis Ende 2025 zu erfassen! Dann könnten diese Daten bereits in die vorgesehene Publikation einfließen“, ruft Archivverbund-Leiterin Grit Richter-Laugwitz zur regen Mitarbeit auf.
Oberbürgermeister Karsten Vogt, selbst langjähriger Schulleiter in Bautzen, freut sich auf das große Jubiläum. „Es zeugt von einer großen Tradition humanistischer Bildung in Bautzen. Unsere Schullandschaft ist vielfältig und mit diesem Jubiläum haben wir die Möglichkeit, die vielen Geschichten und Persönlichkeiten zu präsentieren.“