Der weibliche Teil der übertausendjährigen Stadtgeschichte ist oft verdrängt oder vergessen. Frauen tauchen in den historischen Betrachtungen größtenteils nur am Rand oder gar nicht auf. In der Geschichte von Bautzen hatten Frauen jedoch auch wichtige Funktionen innerhalb städtischen Lebens, diese sollen hier aufgezeigt werden.

In dieser Rubrik werden Frauen vorgestellt, die in den vergangenen 100 Jahren in der Stadt gewirkt haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Möglichkeiten für Frauen, sich beruflich zu etablieren oder politisch zu engagieren wesentlich begrenzter als heute. Trotzdem haben sich einige Frauen für diesen Weg entschieden oder sich gegen große Widerstände erkämpft. Es sind Frauen, die hier in Bautzen bzw. in der Region viel geleistet, Verantwortung übernommen hatten oder hier geboren bzw. aufgewachsen sind und Bedeutung erlangten.

Marianne Britze (1883–1980)

Marianne Britze wurde als jüngste Tochter des „Königlich Sächsischen Kommerzienrats“ und Unternehmers Gustav Heinrich Britze und von Ida Marie Britze, geb. Schultze am 11.06.1883 in Bautzen geboren. Nach der bürgerlichen Mädchenschule, einem Jahr Pflichtunterricht in den „schönen“ Wissenschaften besuchte sie 1900/01 ein Mädchenpensionat in der Schweiz, um Französisch zu lernen.

Marianne Britze absolvierte von 1910 bis 1914 ihr Studium an der privaten Malschule bei Professor Ferdinand Dorsch in Dresden, denn Frauen wurden bis 1918 an der Dresdner Kunstakademie nicht aufgenommen. Sie ließ sich als Malerin und Grafikerin ausbilden. Im Jahr 1914 eröffnete sie ein eigenes Atelier in Dresden, doch als der 1. Weltkrieg begann, stellte sie sich als Rote-Kreuz-Schwester in den Dienst. Sie begann 1919 in Bautzen eine Tätigkeit als freischaffende Malerin und Grafikerin. Bis zu ihren Tod blieb sie Bautzen treu und schuf ihre künstlerischen Werke, in deren Mittelpunkt die Ansichten von Bautzen standen. Bereits 1919 gründete sie als einzige Frau die „Freie Künstlervereinigung Bautzens“ mit und wurde 1929 die Geschäftsführerin der „Arbeitsgemeinschaft Lausitzer Bildender Künstler“. Außerdem trat sie dem „Frauenkunstverband Berlin“ bei, deren Vorsitzende Käthe Kollwitz war. Ihre Ausstellungen wurden in Städten, wie Berlin, Hamburg, Leipzig, München und Zwickau gezeigt.

Faltblatt Marianne-Britze-Weg

Christel Ulbrich (1908–1996)

Die Tanzpädagogin Charlotte Christine Ulbrich, geb. Thiermann, kam 1928, nachdem sie in Leipzig ihre Ausbildung als Kindergärtnerin mit Staatsexamen abgeschlossen hatte, nach Bautzen und erwarb 1932 den Abschluss als Jugendleiterin. Ab 1929 betrieb sie einen eigenen Kindergarten in Bautzen im Stadtteil Neustadt und später in der Villa Weigang.

Später leitete sie Sing- und Tanztherapien in einem Alten- und Taubstummenheim. In den 1950er Jahren war sie Mentorin für Musik, Tanz und Gymnastik in staatlichen und kirchlichen Kindergärten, Horten und Heimen in den Kreisen Bautzen und Bischofswerda. 1960 erhielt sie Arbeitsverbot für staatliche Einrichtungen wegen einer Einladung ihrer Studenten-Volkstanzgruppe in die BRD. Als Patientin im Rheumatologischen Fachkrankenhaus Mahlow bei Berlin, führte sie 1961 dort den Kurs „Tanz als eine Form der aktiven Gruppentherapie“ ein. Ihre Tanzkurse wurden als Heilmethode in Kliniken und Sanatorien übernommen. Parallel zu ihrer Arbeit, gründete sie auch Volkstanzgruppen und veröffentlichte Bücher, u.a. „Tanz dich gesund“ Tanz als Bewegungstherapie. Das bekannte Adventslied „Oh, es riecht gut, oh, es riecht fein“ stammt von ihr.

Bertha Zillessen (1872–1936)

Bertha Zillessen ist eine bedeutende Vertreterin der deutschen Heimatfotografie und wirkte ab 1908 bis 1936 als Fotografin in Bautzen. Sie stellte Kunstfotografien her, welche die Landschaft und Architektur, insbesondere der Lausitz, zeigten. Diese Kunstpostkarten zeigen, wie Zillessen es verstand ihren künstlerischen Anspruch umzusetzen. Die Bautzener Motive eignen sich in besonderer Weise.

Bertha Zillessen erlernte das Fotografenhandwerk in einem Berliner Porträtatelier und erhielt in Düsseldorf ihre künstlerische Ausbildung. In Bautzen gründete sie den Verlag Bertha Zillessen und den Verlag Deutsche Heimatbilder, durch deren Verbreitung der Postkarten die Oberlausitz und Bautzen in ganz Deutschland bekannt wurde. In den 20ern und zu Beginn der 30er Jahre hielt Bertha Zillessen in Bautzen und anderen deutschen Städten Vorträge zu heimatkundlichen Themen. In diesem Zusammenhang setzte sie sich auch ehrenamtlich für die Unterstützung ehemaliger Kriegsopfer und -gefangener ein. Zu diesem Zweck gründete Bertha Zillessen die „Elsa-Brändström-Werbegemeinschaft Deutscher Frauen“, welche ihre Tätigkeit in den Dienst der schwedischen Philanthropin Elsa Brändström stellte.

Elsa Brändström lebte von 1888–1948 und war als Delegierte des schwedischen Roten Kreuzes von 1914–20 maßgeblich an der Versorgung der Kriegsgefangenen in Russland und ihrer Rückführung beteiligt. Die Organisation, der Zillessen vorstand, unterstützte die von Brändström initiierten Gründungen von Sanatorien und Waisenhäusern in Deutschland.

Die Arbeitsstätte hatte Zillessen in der Wettinstraße 40, die heutige Karl-Liebknecht-Straße. Von 1921–25 ließ sich mit eigenem Gewerbe auch im gleichen Haus Wettinstraße 40 Margarete Karow als Fotografin nieder. In der Traueranzeige von 1936 ist sie als die Lebensgefährtin von Bertha Zillessen benannt.

Martha Maria Fuchs (1892–1966)

Martha Maria Fuchs, geb. Büttner (1892–1966), war eine Politikerin und die erste Oberbürgermeisterin von Braunschweig.

Martha Maria Fuchs wurde am 1. Oktober 1892 in Grubschütz bei Bautzen in Sachsen geboren. Ende der 1890er Jahre zog die Familie nach Bautzen in das Haus An der Petrikirche 1, das damalige Eckhaus vom Fleischmarkt zur Großen Brüdergasse. In dem Gebäude mit Restaurant fanden Versammlungen der Arbeiter und Gewerkschafter statt. Der Vater selbst war in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aktiv.

Sie wuchs in Bautzen auf und besuchte dort die Volks- und Handelsschule. 1905 starb die Mutter und Martha muss mit 13 Jahren für ihre vier jüngeren Geschwister sorgen. Nach Abschluss der Schule ging sie nach Jena und arbeitete als Hotelbuchhalterin. Am Ende des 1. Weltkrieges kehrte sie nach Bautzen zurück und begegnete Georg Fuchs wieder, der dem Arbeiter- und Soldatenrat Bautzens angehörte.

Die gemeinsamen politischen Ansichten und der Fakt, dass sich Georg als Witwer um seine drei kleinen Kinder (9, 7 und 6 Jahre) kümmern musste, führten sicher dazu, dass Martha und Georg 1919 heiraten. Wenig später zog die Familie aus Bautzen fort und Georg übernahm 1923 in Braunschweig die politische Redaktion der Zeitschrift „Volksfreund“. Im gleichen Jahr trat Martha in die SPD ein und arbeitete ehrenamtlich u.a. in der Armenwaisenpflege.

Ihre kommunale Laufbahn begann sie im Jahre 1925 als sozialdemokratische Stadtverordnete von Braunschweig. 1927 wurde sie auch in den Braunschweigischen Landtag gewählt. In beiden Körperschaften widmete sie sich vornehmlich Erziehungs- und Schulfragen.

Nach dem Tode ihres Mannes war sie von 1930-1933 Gewerbeaufseherin. 1933 verlor sie diese Stellung und ihre politischen Ämter. Sie kam im Zusammenhang mit dem 20. Juli (Hitlerattentat) von August 1944 bis April 1945 schließlich sogar in das KZ Ravensbrück.

Ab Dezember 1945 hatte sie politische Mandate inne und wurde im Mai 1946 erste Ministerin in Deutschland für Wissenschaft und Volksbildung im Freistaat Braunschweig. Nach Integrierung Braunschweigs in das Bundesland Niedersachsen bekleidete sie das Amt einer Staatskommissarin für das Flüchtlingswesen. Ende 1952 wählte man sie zur Ratsherrin und am 27. Mai 1959 zur ersten Oberbürgermeisterin der Stadt Braunschweig. 1964 trat sie aus Altersgründen zurück und erhielt die Ehrenbürgerschaft. Gemeinsam mit ihrem Mann Georg Fuchs wurde sie in einem Ehrengrab auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof beigesetzt.

Erika Reda (1929–1990)

Erika Reda war eine Schauspielerin und Mitbegründerin des Sorbischen Theaters. Sie wurde als Tochter eines sorbischen Arbeiters in Bautzen geboren. Sie war eine der ersten Mitglieder der 1948 gegründeten Sorbischen Volksbühne. Zunächst als technische Kraft tätig, übernahm sie in Vertretung für eine erkrankte Schauspielerin deren Rolle, was der Beginn ihrer Schauspielkarriere sein sollte. Im Jahr 1951 absolvierte sie ein Studium an der Schauspielschule in Leipzig und kam danach zurück an das umbenannte Sorbische Volkstheater bis sie 1961 an die Bühne nach Prenzlau ging. Als 1963 das Deutsch-Sorbische Volkstheater gegründet wurde, kehrte Erika Reda als Schauspielerin an das einzige zweisprachige Theater nach Bautzen zurück, an dem sie über 4 Jahrzehnte tätig war. Besonders beliebt waren ihre Darstellungen prägnanter Frauenfiguren.

Maria Kubasch (1890–1976)

Maria Kubasch war Lehrerin und sorbische Schriftstellerin. Noch vor dem ersten Weltkrieg, wurde die als Tochter eines Häuslers geborene Maria Kubasch erste sorbische Lehrerin. Sie unterrichtete u.a. in Crostwitz, Pulsnitz, Großröhrsdorf und von 1949–1952 auch in Bautzen. In ihrer Lehrtätigkeit entdeckte sie auch das Schreiben, da sie darin das weiteste Feld erzieherischen Wirkens sah. Den Höhepunkt ihres literarischen Schaffens, erreichte Maria Kubasch nach 1945. Es entstanden dabei Werke wie „Das Grab in der sorbischen Heide“ sowie auch Bücher über die ermordeten Antifaschisten Maria Grollmuß und Alois Andritzki. Ihre literarischen Werke machten sie weit über die Grenzen der Lausitz bekannt. Sie war auch gesellschaftlich sehr engagiert und viele Jahre Mitglied des Bundesvorstands der Domowina.