Kommunalrecht transparent dargestellt – Widerspruchsrecht des Oberbürgermeisters

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In vielen sächsischen Städten und Gemeinden wie etwa Dresden und Bischofswerda ist es mittlerweile Alltag, dass der Oberbürgermeister als höchster Repräsentant der Stadt auch Eheschließungen durchführen kann. Diese Möglichkeit steht den Bürgermeistern offen, wenn sie eine kurze Zusatzausbildung vornehmen. Aufgrund des Wunsches einiger Bautzener Bürgerinnen und Bürger, auch von Herrn Ahrens getraut werden zu können, entschied sich der Oberbürgermeister für diesen Schritt, um einerseits dem Wunsch der Bevölkerung nachzukommen und andererseits mehr Bürger zu animieren, die Ehe einzugehen. In der Stadtratssitzung am 13.10.2021 stimmte eine Mehrheit der anwesenden Stadträte gegen den Beschluss zur Erhebung des Oberbürgermeisters zum Standesbeamten. Daraufhin legte der Oberbürgermeister gemäß § 52 Abs. 2 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Was bedeutet das?

Die Sächsische Gemeindeordnung ist die gesetzliche Grundlage für die Zusammenarbeit in den sächsischen Städten und Gemeinden. In dieser ist geregelt, dass der Oberbürgermeister dazu verpflichtet ist, einen Widerspruch gegen Entscheidungen des Stadtrates einzulegen, wenn diese nach seiner Auffassung rechtswidrig sind. Er kann widersprechen, wenn Beschlüsse nach seiner Auffassung nachtteilig für die Gemeinde sind. In jenem Fall, wenn sich ein Oberbürgermeister für diesen Schritt entscheidet, muss eine erneute Sitzung des Stadtrates binnen vier Wochen einberufen werden. Da die Oktober-Stadtratssitzung bereits frühzeitig im Monat aufgrund der Ferienzeit stattfand, ist der November-Termin des Stadtrates nicht ausreichend. Daher ist der Oberbürgermeister gezwungen, eine außerordentliche Sitzung anzusetzen. Das Gesetz lässt hier keinen Spielraum.

Die Gründe für den Widerspruch sind folgende: Der Beschluss greift unzulässigerweise in die innere Organisation der Stadtverwaltung ein und verstößt somit gegen den § 53 Abs. 1 SächsGemO: so verwehrt der Beschluss dem Oberbürgermeister, die Standesbeamtinnen gelegentlich (insbesondere Freitagnachmittag und an Wochenenden) zu entlasten, obgleich er die Qualifikation für diese Tätigkeit erworben hat. Somit regelt der Stadtrat in diesem Beschluss, welche Arbeiten der Oberbürgermeister im Detail vorzunehmen bzw. zu unterlassen hat.  Für solche Festlegungen ist der Stadtrat nicht zuständig, daher ist diese Festlegung rechtswidrig. Der Oberbürgermeister hat die Qualifikation gemäß § 1 Absatz 3 Satz 3 der Sächsischen Personenstandsverordnung nachweislich erfüllt. Bei der Diskussion im Stadtrat ging es bei den Erwägungen der Stadträtinnen und Stadträte ausschließlich um die Frage, wie der Oberbürgermeister dem subjektiven Empfinden der Stadträtinnen und Stadträte zufolge seine Arbeitszeit einzuteilen habe. Dies begründet nicht nur einen bereits genannten, unzulässigen Eingriff in die Organisationsfreiheit des Oberbürgermeisters. Darin ist auch eine fehlerhafte Ermessensausübung zu sehen. Weiterhin liegt ein Verstoß gegen Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz vor, da der Beschluss in die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreift, und somit zu einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis führen würde.

Der Oberbürgermeister der Stadt ist laut Sächsischer Gemeindeordnung auch Vorsitzender des Stadtrates und somit Teil jenes Gremiums. Auch deshalb ist es seine Pflicht, gegen Entscheidungen vorzugehen, die nach seiner persönlichen Auffassung rechtswidrig oder falsch sind. Der Oberbürgermeister setzt auch weiterhin auf eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Fraktionen im Bautzener Stadtrat. Allerdings muss er nach seinem Gewissen auch das geltende Recht umsetzen und auf Fehlverhalten hinweisen.

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