Der Preis geht nach Słubfurt

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Michael Kurzwelly freut sich über die Auszeichnung.

Im Frühjahr 2018 schrieb die Stadt Bautzen einen Förderpreis für Kunst und soziales Engagement aus.DIE/KUNST/EUROPA beinhaltet zwei wesentliche Themen: einerseits die KUNST des friedlichen Miteinander, des Umgangs miteinander und die Bereitschaft füreinander da zu sein. Es soll der europäische Gedanke, ein friedliches Miteinander in einer vereinten Welt, auf der grenzüberschreitenden zwischenmenschlichen Ebene gefördert werden. Andererseits sollen tatsächlich KUNST und Kultur im Mittelpunkt unserer Förderung stehen. In den Wettbewerb treten sollten Konzepte für Vorhaben, die in die Gesellschaft wirken und einen Dialog anregen. Der Preis sollte einen Beitrag zu einem konstruktiven, gemeinschaftlichen Diskurs zur Zukunft EUROPAs leisten und sich drängenden Fragen unserer Zeit stellen: Welche Visionen gibt es und wie ist ein friedliches Zusammenleben in der gegebenen kulturellen Vielfalt möglich? Der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt!

Die Resonanz war erfreulich gut. Insgesamt bewarben sich 14 Projekte um den Pokal und das Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro. Im Rahmen einer hoch dotierten Jurysitzung um Oberbürgermeister Alexander Ahrens und Herrn Bernd Karwen vom Polnischen Institut in Leipzig wurde mittels eines Punktesystems der Sieger des Wettbewerbs ermittelt. Weitere Jurymitglieder waren Jarosław Gromadzki, Geschäftsführung Jeleniogórskie Centrum Kultury, Götz Müller, Kulturbüro Bautzen, Torsten Wiegel, Steinhaus Bautzen e.V.  und André Wucht, Leiter des Amtes für Pressearbeit und Stadtmarketing. Sie folgten bestimmten Bewertungskriterien, wie dem Beitrag zum europäischen Gedanken, dem grenzüberschreitenden Charakter, der Exklusivität und der Art und Weise der Bürgerbeteiligung. Maximal konnten 5 Punkte pro Kriterium vergeben werden, der Beitrag mit den meisten Punkten war der Sieger.

Im Rahmen einer Festveranstaltung im Burgtheater Bautzen, an der u. a. der Botschafter der Polnischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, Herr Andrzej Przyłębski, teilnahm, wurde am 14. November das Projekt „Słubfurt und Nowa Amerika“ ausgezeichnet. Hier einige Auszüge aus der Bewerbung:

lm Jahre 1999 schlossen sich die beiden Städte Frankfurt (Oder) und Słubice zu einer gemeinsamen Stadt zusammen. Słubfurt wurde 1999 gegründet und 2000 in das RES, das Register Europäischer Städtenamen eingetragen. Seit mittlerweile 19 Jahren wächst die Stadt. Die Einwohner von Słubfurt mehrere Sprachen gleichzeitig. 2008 fanden die ersten Olympischen Spiele im Stadion unter der Brücke statt, gegen Gubien. 2009 gab es die ersten Kommunalwahlen in Słubfurt. Das Stadtparlament funktioniert heute so, dass jeder, der zur Sitzung kommt, automatisch Stadtverordneter ist und eine Stimme hat.

2010 wurde auf einem konspirativen Treffen in Szczecin Nowa Amerika gegründet, als Land im Dazwischen, eine Föderation, die sich aus Szczettinstan, Terra Incognita, Lebuser Ziemia und Schlonsk zusammensetzt. Einmaljährlich findet der „Nowa Amerika Kongres“ statt, zu dem alle Bürgerlnnen eingeladen sind. Natürlich ist Słubfurt die Hauptstadt. 2014 haben wir mit der ZeitBankCzasu unsere eigene Währung eingeführt: Minutyn und Studzina.

Mit Słubfurt und Nowa Amerika habe ich zusammen mit meinen Mitstreitern einen Rahmen geschaffen, der es ermöglicht, uns unsere Welt jenseits nationalstaatlichen Denkens neu zusammen zu setzen und neue Wirklichkeiten quasi im Laborversuch durchzuspielen. Der Humor ist dabei ein ganz wichtiger Hebel.

Słubfurt und Nowa Amerika schaffen einen neuen Lebensraum, der das Wir und die Anderen an der deutsch-polnischen Grenze zu einem gemeinsamen WIR zusammenführt. „Wir sind alle Nowo-Amerikaner mit postpolnischem, postdeutschen oder auch anderen Migrationshintergründen". Es geht darum, lokal Europa zu leben und Visionen für Europa zu leben. Dafür sind die innereuropäischen Grenzregionen prädestiniert. Spielerisch und mit Humor benutzen wir politische Strategien aus der Geschichte. So nimmt der Begriff Nowa Amerika Bezug auf das von Friedrich dem Großen im 18. Jh. trockengelegte Warthebruch bei Küstrin, das er Neu-Amerika nannte, um damit Bauern, die nach Amerika auswandern wollten im Lande zu halten. Analog zur nach dem 2. Weltkrieg in Warschau gegründeten „Komisja do Spraw Nazewnictwa na Ziemiach Odzyskanych“ haben wir unsere eigene „Kommission“ gegründet und alle Städte in Nowa Amerika in deutsch-polnische Hybridbegriffe verwandelt: Zielona Berg, Hrabiawalde, Zgörzelic, Neukomörka usw.

Wichtig ist aber, dass wir über den Humor hinaus mit dem Projekt eine im Alltag gelebte deutsch-polnische Bürgergesellschaft entwickeln.2015 bis 2016 führten wir z.B. das Projekt „Nowa Amerika – im Land der Migranten“ durch. Dabei haben Jugendliche auf deutscher und polnischer Seite verschiedene Migrationsthemen der Grenzregion erforscht und die Ergebnisse in Ausstellungsmodulen präsentiert: Griechen und Mazedonier, Sibirienverschleppte, Kresowiacy, verschwundene Juden...

Bei dem Kunstwerk handelt es sich um eine „Soziale Plastik“. Es ist nur deshalb lebendig, weil viele Menschen diese soziale Plastik gemeinsam entwickeln. Słubfurt und Nowa Amerika sind Langzeitprojekte, die sich von Teilprojekt zu Teilprojekt immer weiter entwickeln.

Stellvertretend nahm Projektleiter Michael Kurzwelly den Preis entgegen.

Zum 1000. Mal jährt sich 2018 der Abschluss des Friedensvertrags zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Herzogtum Polen, der am 30. Januar 1018 auf der Ortenburg Bautzen hergestellt worden war. Aus den langjährigen Kriegsgegnern Heinrich II. (973/978–1024), König des Ostfrankenreiches und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Bolesław I. Chobry (965/967–1025), Herzog von Polen, wurden keine Gegner des Krieges – sie wurden Verbündete in gemeinsamer Sache, fochten für diese und formten dabei eine Region Mitteleuropas. Erstmals wurde die Oberlausitz als Gebietsform erwähnt und anerkannt. Der Bautzener Frieden hielt damals nur wenige Jahre. Anders die heutige Situation. Seit Jahrzehnten leben die Menschen hier im Zentrum Europas ohne kriegerische Auseinandersetzungen. Dies wird als Normalität kaum noch wahrgenommen und bedarf dennoch unsere stetige Aufmerksamkeit.

Weitere Informationen zum Preisträger finden Sie unter www.slubfurt.net oder www.nowa-amerika.eu

Michael Kurzwelly freut sich über die Auszeichnung.
Michael Kurzwelly (2.v.l.) freut sich über die Auszeichnung. Bernd Karwen (l.), André Wucht (2.v.r.) und der Botschafter der Polnischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, Herr Andrzej Przyłębski (r.), gratulieren.

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