Oberbürgermeister Karsten Vogt gratuliert zu 75 Jahre Grundgesetz

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Mann mit Brille in weiß-blauem Hemd und blauen Jackett

„Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland feiert in diesen Tagen seinen 75. Geburtstag. Ich sage: Herzlichen Glückwunsch! „Von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, …“ formulierte der Parlamentarische Rat 1949 die Grundregeln des Staates, seiner Institutionen und des deutschen Volkes. Das geschah vier Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Es ist die Zeit, in der der Osten und der Westen Deutschlands noch in Schutt und Asche liegend politisch längst unterschiedliche Richtungen eingeschlagen haben. Auf der einen Seite gab es nun ein Grundgesetz mit freiheitlich demokratischem Background. Auf der anderen Seite entstand eine Verfassung, die in den folgenden Jahren mehrfach umgeschrieben wurde und die Ein-Parteien-Diktatur zu legitimieren versuchte.

Die Geschichte ist bekannt. Erst 40 Jahre nach der Geburt des Grundgesetzes haben alle Bundesländer in Ost und West in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit galt dieses Grundgesetz endlich für das gesamte deutsche Volk. Die anfängliche Euphorie darüber wich jedoch bald den vermeintlichen Realitäten. Im Osten sah man Lebensleistungen nicht anerkannt, im Westen wuchs die Angst vor einem schwindenden Wohlstand. Wie weit diese Empfindungen berechtigt waren bzw. sind, muss letztlich jeder für sich persönlich entscheiden. Als Oberbürgermeister von Bautzen darf ich jedoch resümieren, dass die politischen Veränderungen unsere Stadt gerettet haben und die große Mehrheit der Bautzenerinnen und Bautzener zu den Profiteuren des Umbruchs und damit des gesamtdeutschen Grundgesetzes gehören. Wir alle dürfen in einem freiheitlich demokratischen Staat leben, in dem die Würde jedes Menschen unantastbar ist.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland umfasst in seiner heutigen Fassung 146 Artikel. Es preist die Menschenwürde als höchstes Gut an, die Grundlage einer jeden Gemeinschaft ist. Die Verfassung regelt die Form unseres Zusammenlebens und erfasst alle Menschen in ihrer Pluralität und Vielfalt. Sie räumt uns allen eine Vielzahl von Rechten und in seinen Formulierungen selbst nur wenige Pflichten ein. Doch ist das wirklich so? Natürlich darf sich jeder Mensch frei äußern. Nur was machen wir daraus? Ist es tatsächlich fair, immer nur zu schimpfen und von wem auch immer eine Lösung für alle Bereiche des Lebens zu erwarten? Ich glaube nicht. Ich bin sogar fest davon überzeugt, dass dieses Land uns allen ein Dach ist und das Grundgesetz uns in die Pflicht nimmt, die Räume darunter inhaltlich zu gestalten. Dass die Bereitschaft dazu spürbar abnimmt, macht mir Angst. Wir stehen vor mehreren richtungsweisenden Wahlen, unter anderem in der Stadt und dem Freistaat. Es ist eine Form der Mitbestimmung, die wir den Müttern und Vätern des Grundgesetzes verdanken. Doch was passiert in der Realität? Menschen, die ihre Bereitschaft zur Gestaltung unserer Gesellschaft in der kommunalen oder Landespolitik erklären, werden angefeindet, politische Parteien werden denunziert. Ja, unter all den Herausforderungen der letzten Jahre, wie der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Energiekriese, war sicherlich nicht jede politische Entscheidung in seiner Gänze ausreichend erklärt und nachvollziehbar. Daran besteht kein Zweifel. Da kann auch gerne mal gemeckert und diskutiert werden, das ist menschlich und legitim. Es darf jedoch nicht dazu führen, dass wir unseren Staat an sich in Frage stellen. Das ist nicht im Sinne unserer freiheitlich liberalen Verfassung.

Das Grundgesetz ist politisch gesehen das Beste, was diesem Land in seiner langen Geschichte passieren konnte. Es ist aber nicht nur an „denen da oben“, sondern an uns allen, unsere Verfassung mit Leben zu füllen. Also lassen Sie uns den Geburtstag würdigen und innehalten, ob wir nicht doch noch mehr für unser Land, unsere Gesellschaft und damit für uns selber tun können. Vielen Dank!“

Mann mit Brille in weiß-blauem Hemd und blauen Jackett
Karsten Vogt, Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Bautzen

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