Die Stadt Bautzen beteiligt sich seit vielen Jahren an der Aktion eines Kölner Künstlers, der europaweit so genannte Stolpersteine verlegt. Diese 10 x 10 Zentimeter großen Messingsteine sollen an Opfer von Verfolgung und Gewalt in der Nazizeit erinnern. Seit 2007 wurden in unserer Stadt 33 Steine verlegt – an den letzten frei gewählten Wohnstätten jüdischer Bürger und für Opfer von Euthanasie.
Am Dienstag, dem 3. Dezember 2019, weilte der Künstler Gunter Demnig erneut in Bautzen, um insgesamt drei Stolpersteine zu verlegen.
Steinstraße 21
Christine E. Petrich wurde im Dezember 1938 mit einem Down Syndrom geboren. 1943 brachte man sie nach Großschweidnitz, wo sie in der „Kinderheilanstalt“ nur eine Woche nach ihrem 5. Geburtstag ermordet wurde. Ein Nachfahre aus dem Hause Petrich hatte die Stadtverwaltung auf den Fall aufmerksam gemacht und um einen Stolperstein gebeten. Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses der Klasse 10b der Gottlieb-Daimler-Oberschule nahmen zur Antragstellerin Kontakt auf, um mehr über Christine Elfriede Petrich zu erfahren. Sie beschäftigen sich zudem mit der Thematik Euthanasie und trugen ihr Wissen im Rahmen der Verlegung vor. Die Nichte, Frau Dr. Daniela Stöter aus Wuppertal, ergänzte die Ausführungen mit Familiengeschichten, bevor der Künstler selbst im musikalischen Rahmen von Sabine und Clemens Kowollik den Stolperstein verlegte.
Töpferstraße 35
Das Wohn- und Geschäftshaus gelangte 1908 käuflich in den Besitz des jüdischen Altwarenhändlers Siegfried (Levyn) Sussmann (1878-1934), der dort eine Eisen-, Metall- und Rohproduktenhandlung für Altpapier und Lumpen betrieb. In den Jahren nach 1933 befand sich bis zur Reichspogromnacht 1938 im Hauptgebäude die Betstube der Israelitischen Religionsgemeinde zu Bautzen. Der Gebäudekomplex und die Rohproduktenhandlung gingen nach Sussmanns Tod 1934 in den Besitz von dessen Ehefrau Elise (1879-1943?) über. Im Rahmen der so genannten „Arisierung“ jüdischer Unternehmen wechselte die Firma mit dem dazugehörigen Grundbesitz weit unter dem realen Wert in den Besitz des Unternehmers Richard Erich Steglich (1903-1989). Elise Sussmann übersiedelte wohl 1939 nach Berlin, von wo aus sie am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in Birkenau durch Giftgas umgebracht wurde.
Ein Nachfahre von Richard Erich Steglich, Herr Thomas Steglich aus Leverkusen, bat um die Verlegung eines Stolpersteines, um Widergutmachung gegenüber Elise Sussmann zu signalisieren. In ergreifenden Worten bezog er klar Position zu den Vorfällen von vor 80 Jahren.
Bertha-von-Suttner-Straße 2
In diesem Fall geht es um Kurt Pchalek, der wegen seiner illegalen Tätigkeit für die KPD zunächst verhaftet und später hingerichtet wurde. Sein letzter frei gewählter Wohnort befand sich in der damaligen Friedrichstraße 2, der heutigen Bertha-von-Suttner-Straße. Ein Urenkel und die Tochter von Kurt Pchalek hatten um eine entsprechende Würdigung gebeten. Da zur Person Kurt Pchaleks nur sehr wenige Informationen vorlagen, beauftragte der Archivverbund der Stadt den Politikwissenschaftler Volker Strähle mit entsprechenden Recherchen. Im Schluss folgte der dem Gedanken, Kurt Pchalek an seinem letzten frei gewählten Wohnsitz mit einem Stolperstein zu würdigen. Unter den Gästen der Verlegeaktion begrüßte Bürgermeister Dr. Robert Böhmer u.a. die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag Caren Lay und den Vorsitzenden des Sachsenhausen-Komitee Andreas Meyer. Die Familie Kurt Pchaleks war vertreten durch seine Tochter Christa Brade, die Enkeltochter Isolde Fiß mit Ehemann Wolfgang Fiß sowie den Urenkel Thomas Fiß.
Die Koordination der Verlegungen sowie die Organisation der Veranstaltungen obliegt dem Amt für Pressearbeit und Stadtmarketing. Die drei Hinweisgeber übernahmen die Kosten für den jeweiligen Stolperstein, das Unternehmen Baucom bereitete alle drei Verlegestellen kostenlos baulich vor und verschloss sie anschließend auch wieder.