Wenn am Mittwoch die im Mai gewählten Stadträte zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen, bietet sich den Bürgermeistern ein völlig neuer Anblick. Von ihrem Podest aus werden sie nicht nur in andere Gesichter schauen, sondern können auch ein Kunstwerk bestaunen.
In der sitzungsfreien Zeit wurde die Reproduktion eines 3,90 x 1,44 m großen Ölgemäldes an der Rückseite des Saales aufgehängt. Es zeigt Bautzen vor dem Stadtbrand 1620. Das Original hatte der Maler Matthäus Crocinus im Jahr 1638 gemalt, ein böhmischer Exulant, der Ende des 16. Jahrhunderts nach Bautzen gekommen war. Das Gemälde hatte der Künstler seinerzeit im Auftrag des Stadtrates gemalt – genau wie eine Reihe von Portraits Bautzener Bürgermeister, die heute im Museum bewahrt werden. Sein großes Bautzen-Gemälde schmückte bis 2004 den Stadtratssaal. In den Jahren 2011/2012 wurde es restauriert und ist seitdem im Museum zu sehen, wo es besser vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt ist als im Gewandhaus. Im Stadtratssaal waren seit einigen Jahren nur noch die Umrisse des einstigen Wandschmucks zu erkennen. In der Sommerpause wurde nun an der alten Stelle eine Reproduktion des Gemäldes angebracht, die Pro Museo – Förderverein des Museums Bautzen e.V. gespendet hat.
Das detailreiche Bild ist ein bedeutsamer Zeuge der Bautzener Stadtgeschichte. So gilt es als eine der wenigen Quellen, die die Ortenburg in ihrer einstigen Gestalt zeigt. Sechs schmale Türme lassen sich bei genauen Betrachten erkennen. Einst gliederten sie die Fassade des Hauptgebäudes. Interessant ist auch die künstlerische Freiheit, welcher sich der Künstler auf Wunsch des Stadtrates bedient hat: So zeigt das Gemälde das intakte Franziskanerkloster – obwohl dieses schon lange abgebrannt war, bevor Matthäus Crocinus zum Pinsel griff.