Bibliothek zeigt einen Familienschatz der besonderen Art

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Einem Kleiderschrank und langweiligen Erwachsenen-Gesprächen hat Bautzen seine neue – und wohl bunteste – Ausstellung zu verdanken. Ab dem 2. Februar 2018 können die Besucher der Stadtbibliothek Kinderbücher aus den vergangenen 150 Jahren bewundern.

Georg von Welck, der als Richter in Bautzen arbeitet, hat die Schätze gesammelt. Seine Liebe zum alten Bilderbuch reicht weit in die eigene Kindheit zurück. Am liebsten denkt er an ein ungewöhnliches Bücherregal: den Kleiderschrank seiner Mutter. „Dort, ganz unzugänglich für andere, lagen die Schätze ihrer Kindheit.“ Obwohl diese stark beschädigt waren, besaßen sie für die Mutter einen unmessbaren Wert. Deshalb schmuggelte sie die Bücher nach dem Krieg aus der zwischenzeitlich beschlagnahmten Wohnung im Ostsektor bei Berlin. Für diese Anstrengung konnten die meisten Familienmitglieder kein Verständnis aufbringen. Dennoch sorgte die Mutter bei jedem folgenden Umzug dafür, dass die Bücher mitgenommen wurden. Die Aura des Besonderen hing für Georg von Welck auch an der Sammlung seiner Tante. Sie hatte die Kinderbücher der väterlichen Familie vor der Vernichtung bewahrt. Gern denkt von Welck an die Besuche am Ammersee zurück. „Langweilten mich die Erwachsenen mit den Gesprächen bei Tee und Kuchen, durfte ich in einem niedrigen altmodischen Sessel Platz nehmen, von dem aus das Regal mit den Büchern leicht zu erreichen war. Dann zog ich das eine oder andere Buch heraus und vertiefte mich in die Bilder. Oft erzählte meine Tante dazu eine Geschichte oder machte mich auf handschriftliche Eintragungen meines Vater oder meines Großvaters aufmerksam“, erinnert sich der Sammler. „In den Erzählungen entstand vor meinen Augen das Leben einer Familie, wie es vor langer Zeit in einer unerreichbaren, in der Erinnerung meiner Tante fast märchenhaften, Stadt gelebt wurde: in Dresden weit vor seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg.“

Nach dem Tod von Tante und Mutter erbte Georg von Welck die „abgegriffenen, schadhaften und versehrten“ Bücher. Mithilfe einer Buchbinderin gelang es ihm, den Raritäten ihre ursprüngliche Schönheit zurückzugeben. Seit etwa zehn Jahren baut der Richter, der heute in Dresden lebt, seine Sammlung kontinuierlich aus. Inzwischen gehören ihr etwa 1.000 Bücher an. Sogar Werke aus dem 18. Jahrhundert zählen zum literarischen Schatz. Die Bücher stammen nicht nur aus Deutschland, sondern unter anderem auch aus Russland, dem englischsprachigen Raum, Frankreich und Skandinavien. Von Welck zieht seine ganz eigenen Kriterien heran, um zu beurteilen, ob ein Buch in seinen Fundus aufgenommen wird. „Ausschlaggebend für mich sind die Qualität und Originalität von Gestaltung, Illustration und Text. Kinderbücher sind als illustrierte Bücher grafische Kunstwerke, oft von berühmten Künstlern gestaltet“, so der Rechtswissenschaftler. Von seiner Begeisterung für die Vielfalt und Phantasie der Kinderbuchgestaltung möchte er auch die Bautzener anzustecken. Wer sich auf die bildhafte Zeitreise begeben möchte, kann die Ausstellung bis zum 1. Juni 2018 während der Öffnungszeiten im Veranstaltungsraum der Stadtbibliothek Bautzen anschauen.

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